Landwirtschaft ist nicht schwarz oder weiß

Ehepaar Schierholz, G.Hocker, A.Hinderks, C.Radons, D.Peiniger

Landwirtschaft ist nicht schwarz oder weiß

Feld-und-Flurgespräch mit Gero Hocker auf dem Hof Schierholz

Zu einem Feld-und-Flurgespräch hatten am vergangenen Samstag (22.05.21) der Barnstorfer FDP-Ortsverein und der Hof Schierholz eingeladen. Gäste bei der Außenveranstaltung waren unter anderem der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Gero Hocker, der Direktkandidat der FDP für den Bundestag Andreas Hinderks sowie die Kandidatin für das Amt der Samtgemeindebürgermeisterin Christina Radons.

Der Vorsitzende der Barnstorfer FDP Domingo Peiniger eröffnete die Veranstaltung, indem er auf die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land hinwies und Kritik am Schwarz-Weiß-Denken in Bezug auf die Landwirtschaft äußerte. „Es scheint, als gäbe es nur die guten Biobauern und die bösen Konventionellen“, beklagte er. 

Am Beispiel des Betriebes, den ihr Mann und sie bewirtschaften, stellte Friederike Schierholz Überlegungen für eine regenerative Landwirtschaft vor. Ziel sei es, den Boden zu erhalten und zu verbessern. „Der Boden ist für uns Landwirte die Existenzgrundlage. Wir haben nur maximal 30 cm Oberboden. Den müssen wir schützen.“ Konkret verzichtet der Betrieb zunehmend auf Bodenbearbeitung. „Den Pflug haben wir verkauft und auch vom Grubber wollen wir uns verabschieden.“ Das System der Direktsaat finde in vielen Ländern der Welt zunehmend Anwendung. Dabei wird lediglich ein Saatschlitz in den Boden gemacht, das Saatkorn abgelegt und wieder verschlossen. Natürliche Bodenstruktur und die Mulchschicht aus Ernteresten bleiben erhalten.

Über die Vorteile des Systems konnten sich die Gäste, zu denen auch weitere Landwirte und einige interessierte Bürger gehörten, auf dem Acker der Familie Schierholz informieren. Bodenbedeckung als Schutz vor Erosion und Verdunstung seien besonders bei Trockenheit wichtig, betonte Friederike Schierholz. Aber auch die ganzjährige Begrünung z.B. durch vielfältige Zwischenfruchtmischungen begünstige den Bodenaufbau. Alexander Schierholz-Prilop wies in dem Zusammenhang auch darauf hin, dass eine natürliche Regulation von Schädlingen durch Nützlinge erfolgen kann, wenn man den Nützlingen nur ausreichend Lebensraum und Nahrung bietet. In einer Zwischenfrucht aus 19 verschiedenen Pflanzenarten sollte da für jeden etwas dabei sein. Auch Tiere gehören in ein landwirtschaftliches Ökosystem, sind die beiden überzeugt. Für die Hühner des Betriebs entsteht gerade ein sogenanntes Agroforstsystem: Es wurden in den vergangenen 15 Monaten insgesamt annähernd 4000 Pappelruten in den Hühnerauslauf gepflanzt. Die schnell wachsenden Bäume sollen Schutz und Schatten spenden, die Hühner aus dem Stall herauslocken und die anfallenden Nährstoffe aufnehmen. Verkauft werden soll das Holz später nicht, sondern als Hackschnitzel im Auslauf verbleiben.

Humusaufbau ist ein großes Thema auf dem Betrieb: „Landwirte können mithilfe der Pflanzen C02 aus der Atmosphäre einfangen und als Humus über Jahrhunderte im Boden speichern“, so Schierholz.

Bio-zertifiziert ist der Betrieb indes nicht. „Wir denken, wir können mit weniger Pflanzenschutzmittel auskommen, aber nicht ganz ohne. Denn irgendwann muss z.B. die Zwischenfrucht der Hauptkultur weichen. Und ja, dazu setzen wir auch ein Totalherbizid ein.“ Alexander Schierholz-Prilop ergänzt: „1,5 Liter verteilt auf 1 Hektar, also 10.000 Quadratmeter. Ich denke, die geringe Aufwandmenge steht in einem guten Verhältnis zum ökologischen Nutzen des Direktsaatsystems.“ 

FDP-Sprecher Gero Hocker berichtete aus seiner Erfahrung im Bundestag: „Wir sehen, dass viele politische Entscheidungen im landwirtschaftlichen Bereich nicht auf wissenschaftlicher Basis sondern aus dem Bauchgefühl heraus getroffen werden. Das Verbot des Totalherbizids Glyphosat z.B. wird von den Regierungsparteien damit begründet, dass es in der Bevölkerung eine Stimmung dagegen gäbe. Das darf aber nicht die alleinige Basis für politische Entscheidungen sein.“

Mehr ungewöhnliche Ideen zum Thema Landwirtschaft wurden im Anschluss diskutiert. Der Landwirt Florian Röttger praktiziert selbst Direktsaat mit Zwischenfruchtmischungen, die bis zu 39 Komponenten enthalten. Er ist davon überzeugt, dass Vielfalt der Schlüssel zum Erfolg ist. Aktuell baut er beispielsweise Mais mit Ackerbohnen gemeinsam auf einem Feld an und experimentiert mit weiteren Mischkulturen. 
Große Herausforderung des Systems sind allerdings die hohen Pachtpreise der Region, bei denen viele Kulturen unwirtschaftlich sind. Landwirt Harm Abeling brachte auch zur Sprache, dass eine Kultur wie die Kartoffel nicht in Direktsaat angebaut werden kann.
Leon Küpker, Landwirtschaftsstudent und aktuell Praktikant auf dem Hof Schierholz, merkte in der Abschlussdiskussion an, dass Inhalte zu neuen Anbaumethoden wie der Direktsaat bislang noch unzureichend in Ausbildung und Studium thematisiert würden. 
Dass es gut sei, für Innovationen in der Landwirtschaft offen zu sein, darauf wies auch Gero Hocker hin. Die Herausforderungen durch klimatische und politische Veränderungen seien groß und „kein Landwirt will Bittsteller sein und sich um Dürrehilfen bewerben, sondern jeder will doch unternehmerisch gute Entscheidungen treffen“, so Hocker. 

Dass Landwirtschaft nicht in nur zwei Schubladen passe, darin waren sich die Beteiligten am Ende einig, die trotz Regen tapfer durchgehalten und sich dem Hygienekonzept entsprechend mit Maske und Abstand an der frischen Luft aufgehalten hatten.